Interessengemeinschaft Deutsches Krokodil

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Die Hauptuntersuchung in Opladen

 

Angesichts eines Betrages in Höhe von 170 810 DM, den die E 94 allein im Jahr 1995 durch Sonderzüge (Güterzugeinsätze wurden nicht verrechnet) erwirtschaftet hatte, war der Kostenfaktor als Argument gegen eine neue Hauptuntersuchung (HU) nicht nachzuvollziehen. So knüpfte man auf eigene Faust Kontakte zu den in Frage kommenden Werken. Die Ausführung der kompletten Hauptuntersuchung im Werk Kornwestheim war wegen fehlender Maschinen und Krananlagen nicht möglich. Die Kosten sollten jedoch durch einen erheblichen Anteil an Eigenleistungen möglichst gering gehalten werden. Gleichzeitig wurden Kontakte zur BSW-Gruppe "E 18 08" in München geknüpft, die zahlreiche Arbeiten an ihrer Schnellzuglok bereits in Eigenregie ausgeführt hatten. Die hier vorhandenen Kenntnisse der E 94 zurück bis in die vierziger Jahre gepaart mit der Möglichkeit der Nutzung moderner Fertigungsmittel und -methoden sollte sich als sehr wertvoll erweisen. In Werk Opladen stiess man zudem mit dem Vorhaben auf das notwendige Entgegenkommen. Wegen der hohen Auslastung des Werks konnte man allerdings nicht sofort mit den Arbeiten beginnen. So musste man sich von der Vorstellung verabschieden, die HU der Lok im ersten Quartal 1996 durchzuführen und rechtzeitig zum Saisonbeginn wieder einsatzbereit zu sein.

Bild zum Vergrößern anklicken! Auf Vermittlung der Münchner Gruppe wurde zunächst der Hauptschalter im Werk München Ost einer Revision unterzogen. Am 7. Februar 1996 wurde dazu die E 94 dem Güterzug 54611 von Kornwestheim nach München vorgespannt. Dort führten ehemalige Mitarbeiter des AW München-Freimann die notwendigen Arbeiten an dem Druckgasschalter durch, so dass die Lok nach 14 Tagen erneut vor einem Güterzug nach Kornwestheim zurückkehren konnte. Parallel dazu erstellten die Münchner einen Arbeitsplan für die Hauptuntersuchung.

In den folgenden Monaten wurden in Kornwestheim weitere Vorbereitungsarbeiten durchgeführt. Dabei wurde auch die als Ersatzteilspender vorgehaltene 194 581 lauffähig gemacht. Im Rahmen einer Zuführungsfahrt mehrerer zur Untersuchung anstehender Lokomotiven des Einsatzbestandes fuhr die E 94 279 zusammen mit ihrem Teilespender und einigen 140/141 am 12. Juli 1996 los. Obwohl der Museumslok ein guter Allgemeinzustand attestiert worden war, offenbarte das Zerlegen der Maschine doch so manche zusätzliche Aufgabe, die die Arbeiten in die Länge ziehen sollten.

Im Rahmen der nach DS 991 durchzuführenden Hauptuntersuchung waren u.a. folgende Arbeiten durchzuführen: Vermessen der Drehgestellrahmen und des Brückenrahmens einschließlich der Drehzapfen, Aufarbeitung der Radsatzlagerführungen, des Achsdruck-Längsausgleichs und des Bremsgestänges, Abdrehen aller Fahr- und Hilfsmotorkollektoren und die umfassende Revision an der Druckluftbremse und der übrigen elektrischen Ausrüstung. An der Außenbeblechung der Vorhauben und der Maschinenraumseitenwände mussten mehrere Quadratmeter Blech erneuert werden. Die Fensterrahmen und ein Teil der Führerstandsauskleidung wurden von einem Schreiner erneuert. Im elektrischen Bereich waren zahlreiche Kabel zu erneuern und Kontakte zu ersetzen. Das Schaltwerk wurde wegen der stark abgenutzten Nockenscheiben komplett ausgebaut und durch das in besserem Zustand befindliche des Ersatzteilspenders ersetzt. Auch einige Lager waren in der Nähe der Verschleissgrenze. Es zeigte sich, dass bei der Auslaufuntersuchung, der die Maschine im Jahr 1984 unterzogen worden war, nur das Allernotwendigste gemacht worden war. Damals ahnte ja auch noch niemand, dass gerade die 194 579-9 einmal zur Museumslok avancieren sollte.

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, wurde die E 94 279 auch mit neuen Zugfunkgeräten der Bauart ZF 90 und der Zugsicherung I 60 (vorbereitet für PZB 90) ausgerüstet. An die Bauteile für das automatische Schließen und Blockieren der Türen wurde ebenfalls gedacht. Dies fordert das Eisenbahn-Bundesamt ja auch schon für Museumsbahnen.

Bei der Aufarbeitung der einzelnen Baugruppen erfuhren die Aktiven der beiden Freizeitgruppen aus Kornwestheim und München viel Unterstützung von den Mitarbeitern des Werks. Einige liessen sich von der Begeisterung für die Altbaulok derart anstecken, dass auch sie ihre Freizeit für Arbeiten an der Lok opferten.

Am Schluss stand die Neulackierung der Lokomotive in den Farbtönen flaschengrün (RAL 6007), weißalu (9006), tiefschwarz (9005) und karminrot (3002), mit denen die E 94 einst angeliefert worden war. Die Beschriftung wurde ebenfalls weiter dem historischen Erscheinungsbild angepasst.

Der Austausch einiger defekter Kleinteile verzögerte zu Anfang des Jahres 1998 die für Februar 1998 Wiederinbetriebnahme nochmals um mehrere Wochen. Nachdem die vorbereiteten Ersatzteile für die E 94 im Zentrallager Nürnberg nicht mehr auffindbar waren, musste anderweitig Ersatz beschafft werden. Zwei bereits zur Bespannung vorgesehene Sonderzüge wurden mit anderen Lokomotiven gefahren.

Mit Datum des 17. April 1998 verliess die E 94 279 das Werk. So konnte am 18. April ein Sonderzug aus dem DB-Nostalgieprogramm von Braunschweig nach Bielefeld befördert werden. Diese Leistung war ursprünglich der E 04 20 zugedacht gewesen, die allerdings wegen eines Defekts an einer Laufachse nicht einsatzbereit war. Wenige Tage später erreichte die E 94 279 als Vorspannlok vor dem Güterzug IRC 53179 von Gremberg kommend wieder das heimatliche Kornwestheim.

 

Text: Joachim Hund
Zuletzt geändert am 29.09.2012