Interessengemeinschaft Deutsches Krokodil

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Erste Einsatzperiode als Museumslok 1988 bis 1996

 

1988 - Die zweite Jungfernfahrt

Nach dem Abschluss der Aufarbeitung sollte die neue Museumslok natürlich im Rahmen einer Sonderfahrt den Eisenbahnfreunden und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Als Ziel der "zweiten Jungfernfahrt" wurde die Frankenmetropole Nürnberg gewählt, denn schliesslich gehörte die E 94 279 zum betriebsfähigen Lokpark des dortigen Verkehrsmuseums.

Nach etwa 1500 Arbeitsstunden wurde die E 94 am 11. März 1988 auf eine erste Probefahrt geschickt, die noch ohne Anhängelast nach Renningen führte. Am 17. März folgte eine Lastprobefahrt nach Horb und zurück. Damit blieben noch elf Tage für Nacharbeiten bis zur geplanten Vorstellungsfahrt nach Nürnberg, die die E 94 279 ohne Beanstandungen zur vollsten Zufriedenheit von Personal und Publikum absolvierte. Die Organisation und Durchführung des ersten eigenen Sonderzuges zusätzlich zu den Arbeiten an der Lok hatte die Aktiven des Vereins viel Kraft und Zeit gekostet, doch der grandiose Erfolg entschädigte für alle Mühen. Weitere selbstorganisierte Fahrten folgten 1991 mit einer großen Schwarzwaldrundfahrt nach Triberg und 1993 durch das Remstal und das Nördlinger Ries nach Regensburg mit Rückfahrt durch das Altmühltal.

 

1989 - Wer nicht gut schmiert...

Nachdem sich die E 94 in ihrem ersten Einsatzjahr mit einer Laufleistung von 7170 km an die Spitze der elektrischen Museumsfahrzeuge gesetzt hatte, folgte im Frühjahr 1989 die Ernüchterung. Nachdem in der saisonbedingten Winterpause die zurückgestellten Arbeiten an den Führerständen und im Maschinenraum durchgeführt waren, stand am 6. Mai zusammen mit der Stuttgarter Museumslok E 44 002 eine gemeinsame Lastprobefahrt nach Horb auf dem Plan. Bei dieser Fahrt lief ein Achslager warm. In Horb wurde daraufhin das Lager geöffnet und untersucht, wobei Schäden an Achsschenkel und Achslager festgestellt wurden, verursacht durch mangelhafte Schmierung. Die enttäuschten Gesichter kann man sich sicherlich gut vorstellen, denn schließlich stand eine Woche später die Fahrt nach Ludwigsstadt zum Jubiläum "50 Jahre elektrischer Betrieb auf der Frankenwaldbahn" auf dem Programm. Als Ersatzlok kam damals die E 04 20 aus Osnabrück (!) zum Zuge.

Die Aufarbeitung der schadhaften Achse zog sich bis Anfang November hin. Die Werkstätten widmeten sich der Museumslok nur in beschäftigungsarmen Zeiten im Rahmen von Füllarbeiten. So schloss das Jahr mit einer mageren Fahrleistung von gerade einmal 267 km.

 

1990 - Erste Einsätze im Plandienst

Um weitere Schäden an den Gleitlagern zu vermeiden, gab es zwei Möglichkeiten: entweder vor jedem Einsatz sämtliche 12 Achslagerdeckel öffnen und von Hand vorschmieren oder für einen vermehrten Einsatz der Lok sorgen und damit einem Austrocknen der Lager durch die langen Standzeiten vorbeugen. Da ein vermehrter Einsatz der Museumslok vor Sonderzügen nicht zu erwarten war, weil für die Züge der DB-Touristik eine Hauptluftbehälterleitung für die Türschliesseinrichtung verlangt wurde, wurden Einsätze im Plandienst angestrebt.

Nach dem Vorbild der Lichtenfelser Freizeitgruppe, die mit ihrer E 44 119 durch Einsätze im Plan einer 141 im Frankenwald eine nahezu konstante Jahresfahrleistung von etwa 4000 km erreichten, sollte die E 94 wieder alle 2 bis 3 Wochen Regelzüge bespannen. Dazu waren allerdings erst einmal umfangreiche Verhandlungen mit den für den Einsatz von Lok und Personal zuständigen Stellen zu führen.

Da die E 94 nicht mehr so freizügig eingesetzt werden konnte, wie z.B. eine 140 oder eine 150, waren Schichten zu finden, die in Kornwestheim begannen und ohne Lokwechsel auch dort wieder endeten. Zudem war sicherzustellen, dass die im Fahrplan angegebenen Lasten von der E 94 anstandslos bewältigt werden konnten. Schliesslich war vom Diensteinteiler ein fahrberechtigter Lokführer der Schicht zuzuteilen, während der Lokdienst die "188 941-9" (EDV-Nummer der Museumslok) in seinen Computer eingeben und die Lokleiter die Lokabstellung entsprechend disponieren mussten, damit das Gleis 2 vor dem Lokschuppen zum Aus- und Einrücken der Museumslok zur richtigen Zeit frei war. Die Zusammenarbeit zwischen dem Vorstand der IG und den Dienststellen klappt hervorragend und so kommt die Museumslok auch heute gelegentlich vor Güterzügen im Bereich der ehemaligen BD Stuttgart zum Einsatz. Für die zusätzlich zum normalen Tagesgeschehen geleistete Arbeit sei an dieser Stelle ein Lob an Lokdienst, Lokleitung und Diensteinteilung ausgesprochen.

 

1991 - Jahr der großen Auftritte

Dieses Jahr brachte für die Kornwestheimer Museumslok zahlreiche interessante Einsätze. In den Wintermonaten war die für das automatische Schließen der Türen benötigte Hauptluftbehälterleitung eingebaut worden und rechtzeitig zur großen Schwarzwaldrundfahrt am 6. Juli folgten die lange ersehnten großen Loklaternen. Die zweite auf eigenes Risiko durchgeführte Fahrt der Interessengemeinschaft führte von Stuttgart über Pforzheim, Karlsruhe und Offenburg nach Triberg. Die Rückfahrt nach Stuttgart erfolgte über Engen auf der Gäubahn. Bis dahin hatte die E 94 ihre Laufleistung aus dem Vorjahr (3056 km) mit zahlreichen Fahrten im Plandienst und vor Sonderzügen bereits mehr als verdoppelt.

Als Überraschungsgast nahm die Kornwestheimer Museumslok am 31. Juli an dem Bahnhofsfest in Amstetten zum zwanzigjährigen Bestehen der Ulmer Eisenbahnfreunde teil. Nachdem sie die 01 1066 als Schublok beim "Baden-Schwaben-Express" unterstützt hatte, hielt es den Lokführer nicht lange auf der Ausstellung und so wurde in Absprache mit dem Geislinger Fahrdienst und der Betriebsleitung kurzerhand der 1500 Tonnen schwere Dg 53647 über die Geislinger Steige nachgeschoben.

Der wohl bekannteste und aufsehenerregendste Einsatz der E 94 279 war sicherlich die Überführung der Königssärge mit den sterblichen Überresten des "Alten Fritz" (Friedrich II., der Große) und seines Vorgängers Friedrich Wilhelm I. ("Soldaten-könig") vom Schloss Hohenzollern in Hechingen nach Sanssouci in Potsdam. Nach über 200 Jahren und mehrfacher Umbettung sollte damit nun dem letzten Willen der "Alten Fritz" entsprochen werden, der sich für seine letzte Ruhe neben seinem Schloss eigens eine Gruft bauen liess. Für die Überführung seiner Urahnen bestellte der eisenbahnbegeisterte Prinz Louis Ferdinand einen Sonderzug, bestehend aus dem historischen AVG-Packwagen, dem berühmten Kronprinzenwagen sowie zwei Salonwagen und einem Schlafwagen. In Stuttgart übernahm die E 94 den Sonderzug DZ 16964 aus Hechingen von der 218 435, um ihn in der Nacht vom 16. auf den 17. August bis nach Helmstedt (642 km!) zu bringen. Dort übernahmen 232 240 und 232 484, die in Brandenburg wiederum von der 74 1230, einer preußischen T 12, stilecht abgelöst wurden.

Im Sommer 1991 entstand auch ein Videofilm des Eisenbahnvideo-Verlags in Obersulm, bei dem die E 94 279 die Hauptrolle übernahm. So können die Eisenbahnfreunde vom heimischen Sofa aus die Mitfahrt auf dem Führerstand der E 94 mit einem Güterzug von Kornwestheim über die "Gäubahn" nach Singen miterleben. Bis zum Jahresende hatte die Kornwestheimer Museumslok so 14425 km zurückgelegt. Ein Wert, den in diesem Jahr keine der Nürnberger Museumslokomotiven erreichte (Zum Vergleich: 01 1100: 8224 km, E 18 047: 2721 km, V 200 007: 7511 km).

 

1992 - Nach Startschwierigkeiten bis an die Wupper

Im Frühjahr erfolgte im Bw Stuttgart eine kleine Hauptuntersuchung nach den vereinfachten Richtlinien für Museumslokomotiven. Nach einigem Hin und Her war die aus dem Dieselloksektor bekannte B1-Untersuchung im Betriebswerk auch für die Anwendung auf die im Gegensatz zu den Lokomotiven des Regeldienstes wesentlich seltener eingesetzten betriebsfähigen Museumslokomotiven zugelassen worden. Somit konnte der nächste Besuch im Ausbesserungswerk zur großen (teuren) Hauptuntersuchung noch einmal um 4 Jahre hinausgeschoben werden.

Bei der Probefahrt nach Böblingen im Anschluss an diese Untersuchung liefen allerdings zwei Achsen warm. Da jedoch zahlreiche Sonderzüge auf dem Programm der Museumslok standen, beeilte sich das AW Dessau mit der Reparatur der beiden Achsen und so war die E 94 schon nach wenigen Wochen wieder im Einsatz.

Im Juni folgten die bis dato nördlichsten Fahrten der Museumslok E 94 279 mit Sonderzügen zwischen Düsseldorf, Wuppertal und Hagen. Damit erinnerte sie an ihre nordwestlichsten Einsätze aus ihrer Aschaffenburger Zeit.

Während mit der Parade zum Abschluss der Nostalgiefahrtensaison am 31. Oktober in Schweinfurt für die meisten Museumsfahrzeuge das Jahr zuende war, fuhr die E 94 noch im Dezember in Planumläufen und vor Sonderzügen und erreichte damit insgesamt 10436 km.

 

1993 - Abschied von der "Rübe"

Wie schon im Vorjahr, wurde die E 94 279 auch 1993 im herbstlichen Zuckerrübenverkehr eingesetzt. Die nunmehr letztmalig verkehrenden Sondergüterzüge zum Abtransport der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in der Relation Böblingen/Herrenberg - Bad Friedrichshall-Jagstfeld wurden an zwei Terminen mit der Museumslok bespannt. Die steile Rampe des eigens elektrifizierten Anschlussgleises der Zuckerfabrik in Bad Friedrichshall wird das Brummen der Tatzlagermotoren wohl nicht mehr erleben, nachdem die Rübentransporte nun auf der Straße abgewickelt werden.

Einen besonderen Auftritt hatte die E 94 279 außerdem noch am 1. November im Stuttgarter Hauptbahnhof. Zehn kleine Vertreter ihrer Baureihe aus dem Hause Märklin zogen 2108 Containerwagen im dritten Versuch über eine Strecke von 35,14 Metern - Weltrekord. Die Aktiven zweier Modellbahnclubs hatten auf einem Schienenkopf mittels einer schmalen Holztrasse ein Modellgleis der Spur HO montiert. Am Prellbock war die E 94 als Demonstrationsmodell im Maßstab 1:1 zu besichtigen. Knapp 4000 Menschen verfolgten den Versuch der Stuttgarter Modellbahner, mit dem über 250 m langen Modellbahnzug in das bekannte Guinness-Buch der Rekorde einzugehen.

Mit 15309 km Laufleistung hatte sich die E 94 279 in diesem Jahr wieder einmal selbst übertroffen.

 

1994 - Würdigung im Modell

Obwohl einige der geplanten Fahrten ausfielen, erreichte die E 94 mit 11838 km wieder eine ansehnliche Laufleistung im Plandienst und vor zahlreichen Sonderzügen im süddeutschen Raum. Dank der guten Pflege, die der Lok in Kornwestheim und Stuttgart (hier wurden die Fristarbeiten ausgeführt) zuteil wird, hat die Lok nunmehr seit ihrer Wiederinbetriebnahme über 60000 km nahezu störungsfrei zurückgelegt.

Die Einsatzfreude und der hohe Bekanntheitsgrad der E 94 279 spielten sicherlich auch eine Rolle, als sich gleich zwei Modellbahnfirmen dazu entschlossen, die Museumslok als Sonderserie aufzulegen. Sowohl bei Märklin als auch bei Roco im Rahmen der Museumsedition ist die E 94 279 als HO-Modell erschienen.

 

1995 - Doppeltes Jubiläum

1995 konnte die Interessengemeinschaft E 93 07 auf zehn Jahre aktiven Schaffens zurückblicken und gleichzeitig das vierzigjährige Dienstjubiläum ihrer E 94 279 begehen. Dies war natürlich Anlass für eine Jubiläumssonderfahrt, die am 15. Juni von Stuttgart über Würzburg nach Bamberg und zurück über Nürnberg und Aalen über ehemalige Einsatzstrecken der E 94 279 führte. An über 40 Einsatztagen vor Plan- und Sonderzügen wurden wieder über 10000 km zurückgelegt. Außerdem war die Kornwestheimer Museumslok auf mehreren Ausstellungen zu sehen.

1996 - Fristablauf

Die E 94 279 gehörte seit 1988 zu den am häufigsten eingesetzten Museumslokomotiven des Museumsbestandes. So betrachtete man bei der in das Bahnsozialwerk integrierten Interessengemeinschaft E 93 07 die im Jahr 1996 bevorstehende Hauptuntersuchung als gesichert. Um so größer war die Ernüchterung, als man sich im Laufe des Jahres 1995 beim damals noch zuständigen Verkehrsmuseum Nürnberg nach dem genauen Termin erkundigte. Die betriebsfähigen Museumsfahrzeuge gehen zum Geschäftsbereich Fernverkehr der DB AG über, hiess es, und dieser habe für die E 94 keine Gelder für eine Untersuchung vorgesehen. Sie sollte das Schicksal vieler feuerloser Museumsloks teilen und zum rollfähigen Exponat herabgestuft werden. Ohne große Abschiedsfahrt verschwand sie daher am 16. Juli 1996, dem offiziellen Fristablauf, von der Bildfläche. Bis dahin hatte sie noch einmal 3023 km zurückgelegt, welche wegen der ungewissen Situation nur durch Bewegungsfahrten im Plandienst und Überführungsfahrten zustande kamen. Einzige Sonderfahrt war am 15. Mai 1996 die Last-, Meß- u. Werkstattfahrt anlässlich der Elektrifizierung der Murrbahn von Marbach über Backnang nach Crailsheim.

 

Text: Joachim Hund
Zuletzt geändert am 29.09.2012